Outsourcing-Strategien können schnell ungünstig ausgehen, sofern man nicht auf die Details besonders bei der Unflexibilität der proprietären Systeme achtet.

3,350 Billionen Dollar für IT-Ausgaben im Jahr 2010. Die aktuelle Wachstumsprognose von Gartner meldet außerdem: Auf 365 Milliarden Dollar werden die Ausgaben für Computerhardware steigen, für IT-Dienstleistungen voraussichtlich auf 786 Milliarden.

Unternehmen investieren immense Beträge in ihre IT. Wie viel ließe sich dabei sparen?

Aus unserer Erfahrung lassen sich die IT-Kosten in Unternehmen um 30 bis 70 Prozent senken – vorausgesetzt, das Unternehmen ist bereit, sich aus der Abhängigkeit von seinen IT-Dienstleistern und Lieferanten zu befreien.

Dass die Abhängigkeit von IT-Anbietern vielfach die Ursache für ihren Kostendruck ist, sehen Unternehmen viel zu selten.

Wie kommt es zu Abhängigkeiten von IT-Dienstleistern?

Es gibt zwei Ursachen. Erstens entscheiden sich Unternehmen aus der Managementmode „Wir müssen nur unser Geschäft können – aber nicht IT“ heraus für eine zu geringe Wertschöpfungstiefe. Dabei vernachlässigen sie, dass allein schon bei den heutigen Automatisierungsgraden viel, sehr viel des Prozesswissens in den IT-Systemen steckt. Wenn man dann sagt „Das macht ab sofort der Dienstleister“ und das interne Personal hierzu abbaut, entsteht eine sofortige Abhängigkeit von diesem Dienstleister.

Wie will ein Unternehmen dann noch beurteilen was der Dienstleister tut oder vielleicht auch mal den Dienstleister wechseln? Es hat ja das Prozesswissen gar nicht mehr.

Und was ist die zweite Ursache?

Dass häufig Entscheidungen für proprietäre Software- und Hardwarelösungen getroffen werden, weil diese im Markt gängig und weit verbreitet sind. Unternehmen setzen auf die Standardsoftware, auf die alle anderen Unternehmen auch setzen. Weil sie meinen, damit nichts falsch machen zu können. Machen sie aber trotzdem! Denn nur, weil eine Software oder Hardware im Markt weit verbreitet ist, ist sie deshalb noch lange nicht leicht austauschbar. Damit schwinden die Einflussmöglichkeiten des Unternehmens.

Die durch ihren „Kampf“ mit Microsoft bekannt gewordene EU-Kommissarin Neelie Kroes warnte erst kürzlich davor, dass sich Behörden und Unternehmen nicht von proprietären Technologien abhängig machen sollen.

Diese Forderung können wir nur unterstreichen. Auch wir erleben es in unserer täglichen Arbeit immer wieder, dass Klienten in proprietäre Technologien investieren und ihre komplette Architektur danach ausrichten.

Der Preis, den sie dafür zahlen, ist sehr hoch. Und damit meine ich nicht die Anschaffungskosten.

Sondern?

Lassen Sie es mich an einem Beispiel erläutern: Stichwort Mainframe, für das IBM als Anbieter quasi das Monopol hält. Möchte ein Unternehmen von Mainframe auf andere Systeme wechseln, sind damit hohe Kosten verbunden. Kaum einer beachtet, dass bei einem Austausch oder Wechsel des proprietären Systems auch die umliegenden Systeme der IT-Landschaft berücksichtigt und angepasst werden müssen.

Dass die Wechselkosten hoch sind, weiß IBM natürlich auch und verlangt entsprechend hohe Preise. Das würde jeder vernünftige Kaufmann ebenfalls tun. Die Unternehmen müssen dann mit den hohen Kosten leben. Außerdem sind sie ihrer Flexibilität beraubt, ihre IT problemlos an veränderte Anforderungen und Marktsituationen anzupassen.

Neelie Kroes plädiert für offene Standards und Systeme, die jeder ohne Hindernisse nutzen und implementieren kann.

Bei offenen Standards denken viele sofort an Open Source. Darum geht es aber nur am Rande. Wenn Hardwaresysteme oder Software auf offenen Standards basieren, sind sie leichter durch Produkte von anderen Herstellern austauschbar. Durch die Gesetze des Marktes sind diese Technologien viel günstiger als proprietäre. Für Mainframes beispielsweise gibt es absolut gleichwertige Alternativen. Sogar vom gleichen Hersteller mit dem einzigen Unterschied, dass diese günstiger sind. Im Softwarebereich gibt es auch viele solcher Beispiele.

Trotzdem scheuen viele Unternehmen technologische Veränderungen, denn sie sind für sie wie eine Operation am offenen Herzen. Unter anderem wegen der erwähnten hohen Wechselkosten – aber oft auch, weil sie sich in ihr Abhängigkeitsschicksal gefügt haben. Ganz nach dem Motto „Das ist halt so, dagegen kann man nichts machen.“

Das stimmt aber nicht! Alles lässt sich managen. Wichtig ist, dass der Veränderungen auch konsequent umsetzt, der sich einmal dafür entschieden hat.

Wie können sich Unternehmen aus ihrer Abhängigkeit von IT-Anbietern befreien?

Indem sie proprietäre Technologien nach Möglichkeit durch offene ersetzen und mit gezieltem Kompetenz- und Wissensaufbau im Unternehmen gegensteuern. Um das ungleiche Machtgefälle gegenüber Dienstleistern zu ihren Gunsten zu ändern, müssen sie die Kompetenz ihrer eigenen IT-Abteilung stärken.

Wie lässt sich das benötigte Know-how im Unternehmen wieder aufbauen?

Zum Beispiel, indem IT-Experten mit den richtigen Skills ins Unternehmen geholt werden, die sich in das IT-System einarbeiten. Je nach Komplexitätsgrad hat die Firma nach etwa sechs bis 24 Monaten ein voll eingearbeitetes Team, das die Dienstleister beurteilen und steuern kann.

Denn: Das Prozesswissen steckt in den Köpfen der Mitarbeiter oder – je nach Automatisierung – in der IT. Durch zu starkes Outsourcing geht dieses Wissen verloren und Abhängigkeiten zu proprietären Hardwareanbietern, Standardsoftwareanbietern und Full-Service-Dienstleistern entstehen.

Also Kompetenz und Wissen im Unternehmen aufbauen. Was kann man sonst noch tun?

Ein weiteres probates Mittel: Mehr Wettbewerb unter den Dienstleistern und Lieferanten herstellen, zum Beispiel durch Multi-Vendor-Strategien. Damit meine ich nicht, die oft vorhandenen Sourcing-Strategien, die einen preferred Supplier für jede Leistungsart vorsehen, sondern eine Strategie, die für echten Wettbewerb sorgt, weil die Leistungen vergleichbar gemacht werden.

Wichtig ist auch, mit seinen externen Dienstleistern vertraglich Regulationsmechanismen zu vereinbaren, um Preise und Liefermengen flexibel an den Markt anpassen zu können. Ansonsten ist die Gefahr groß, dass das Unternehmen bei seiner IT dauerhaft draufzahlt.

Einmal unabhängig davon, wofür man sich letztendlich entscheidet: Zentral für den Erfolg ist, dass man einen Plan über die nächsten Schritte hat und macht. Das untermauert die Glaubwürdigkeit gegenüber dem IT-Anbieter, sich auch wirklich aus dessen Abhängigkeit begeben zu wollen. Bloße Ankündigungen locken diese nicht aus der Reserve.

In wie vielen Fällen gelingt der Befreiungsschlag?

Nur in etwa einem Drittel der Fälle wechselt das Unternehmen den Anbieter komplett, weil sich dieser nicht in eine andere Richtung bewegen will.

Unserer Erfahrung nach einigen sich beide Seiten, meist nach zähen Verhandlungen. Danach wird das Geschäftsverhältnis mit veränderten Vorzeichen fortgeführt–mit wieder mehr Einfluss des Unternehmens auf die eigene IT und ohne Zweifel einer Vielzahl von Kostenvorteilen.