Das Bewusstsein in den Versicherungen über die Innovationskraft von IT wächst. Wir gehen im Interview der Frage nach, was zu tun ist, um Hürden aus dem Weg zu räumen und Innovationen umzusetzen.

Mit Fokus auf die IT: Es scheint sich etwas zu tun bei den Versicherungen?

Tatsächlich erkennen immer mehr Versicherungsunternehmen die Notwendigkeit und vor allem auch das enorme Potenzial von IT-gestützten Innovationen. Andere Branchen setzen bereits sehr erfolgreich Tech-nologien wie z.B. Mobile Applikationen, Agile IT, eBusiness 2.0 und Smarte Objekte für ihr Geschäft ein. Nun geht es für Versicherungen darum, die Technologien zu nutzen, um ganz nah am Kunden zu sein, neue Produkte auf den Markt zu bringen und die Kunden über Lock-in Effekte an sich zu binden.

Die Voraussetzungen dazu müssen aber erst in der internen IT geschaffen werden. Wie wichtig eine ganz-heitliche Betrachtungsweise ist, zeigt ein einfaches Beispiel: Eine iPhone App ist schnell für 10.000 bis 30.000 Euro entwickelt. Die Anbindung an das Backend beläuft sich schnell auf das zehn- bis 30fache, wenn es aufgrund der vorhandenen IT-Struktur überhaupt möglich ist. Wer also das Innovationspotenzial von IT ohne spätere Fallstricke maximal ausschöpfen will, tut gut daran, von A bis Z zu planen.

Die Versicherungen nutzen Mobile Applikationen und Soziale Netzwerke?

Das ist ein Bereich, der für die Branche bereits heute sehr interessant ist und sicher noch in seiner Bedeutung zunehmen wird. Ein Beispiel ist das Thema Apps für Smartphones, die den Versicherungen höhere Kundenbindung und Weiterempfehlungseffekte ermöglichen, wenn sie darüber u. a. vereinfachte Schadensfallbe-seitigung oder Ratgeber/Tools in Sicherheitsbelangen anbieten. Aber das ist nur der Anfang. Denken Sie allein an die vielen Versuche von Online-Plattformen, Bewertungen von KFZ-Werkstätten oder Ärzten zu sammeln. Da diese Portale meist Probleme damit haben die Bewertungen der Kunden einzusammeln, ist ihr Erfolg mehr als fraglich.

Versicherungen haben hier viel bessere Voraussetzungen, denn: Durch im Zuge der Schadensbearbeitung können sie direkt von ihren Kunden die Zufriedenheit mit der Werkstatt oder dem Arzt abfragen. Die Ergebnisse können dann genutzt werden, um anderen Kunden Empfehlungen auszusprechen. Das ist ein Zusatznutzen, der sich nicht so leicht von anderen kopieren lässt.

Um solche Lösungen und Innovationen allerdings umsetzen zu können, be-nötigt man das entsprechende Know-how für Web 2.0-Technologien, ausgefeilte Sicherheitskonzepte, zuverlässige Schnittstellen und Anpassungen der IT-Landschaft, die solche Innovationen abbilden und integrieren.

Was muss eine Versicherung tun, um Innovationen im Allgemeinen und IT-Innovationen im Speziellen umzusetzen?

Die Basisarbeit beginnt „ganz unten“, denn die Ver-sicherungs-IT muss zwei Hürden überwinden um Innovationen entwickeln und nutzen zu können: Die Business-Hürde und die IT-Hürde.

Wie aber überwindet man Hürden für IT-Innovationen im Bereich Business?

Ganz wichtig: Für die Innovationskraft der IT das nötige Verständnis zu schaffen sowie die Bereitschaft zum Handeln zu fördern, das sind die ersten Hauptaufgaben der Versicherungen auf ihrem Weg, IT als Motor für künftige Chancen einzusetzen. Häufig sind Unternehmensstrategie und IT-Strategien nämlich nicht aufeinander abgestimmt, was heißt: Business und IT sind nicht eng miteinander verzahnt, das Potenzial der IT für die Wertschöpfung wird weder eruiert noch umfassend genutzt. Das klingt banal, hat aber drastische Auswirkungen in der Realität: Wenn ich nicht ganz genau festlege, in welcher Richtung die IT flexibel sein muss und dann plötzlich neue Produkte gefordert sind, kann es drei Jahre dauern bis die IT diese abbilden kann.

Und die IT-Hürden in den Versicherungsunternehmen…

… sind einerseits vielfältig und andererseits im Kern darauf zurückzuführen, dass die IT in den Unternehmen nicht stringent gemanagt wird. Das führte unter anderem zu einem – salopp formuliert – Anwendungsflickenteppich: Für jeden Geschäftsprozess existieren viele verschiedene Anwendungen mit ihren jeweils eigenen Datentöpfen.

In solch einer komplexen und heterogenen IT-Land-schaft sind übergreifende Auswertungen und Veränderungen qualvoll. Den IT-Abteilungen kann man dafür nicht einmal die Schuld geben, denn wenn IT im Unternehmen nur eine Unterstützerfunktion zugedacht wird, lassen sich notwendige übergreifende Optimierungen nur schwer durchsetzen.

Dabei bewegen sich die Einsparpotenziale in der IT meist im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich, manch-mal sogar höher. Von den Potenzialen durch höhere Automatisierung der Geschäftsprozesse gar nicht zu reden…

Wenn man nun die Perspektive auf das Ganze einnimmt, so ist die geradezu zwingende Logik, dass eine IT-Struktur nur dann für die gesamte Versicherung effektiv funktioniert, wenn sie über alle Bereiche hinweg greift. Für Versicherungsunternehmen, die IT best-möglich für das Geschäft einsetzen und dessen Innovationspotenzial maximal nutzen wollen, gibt es deshalb meiner Meinung nach nur einen erfolgreichen Weg: Die isolierten Insellösungen für die einzelnen Bereiche zugunsten einer durchgehenden IT-Architektur aufzugeben.

Oder einfach ausgedrückt: Weg von den IT-Silos hin zur IT.

Die Experten von qb³ haben bereits zahlreiche Unternehmen auf diesem Weg erfolgreich begleitet. Was raten Sie Versicherungen, um die IT-Hürden zu beseitigen?

Erstens: Erfinden Sie das Rad nicht neu und lernen Sie von anderen Branchen! Die Telekommunikations-industrie beispielsweise bringt in acht Wochen neue einfache Produkte auf den Markt. Bei komplexen Produkten sind es maximal neun Monate. Die Auto-mobilhersteller und die Industrie haben schon vor längerer Zeit Lean-Konzepte auf IT übertragen. Das können sich Versicherungen zunutze machen.

Zweitens: Drehen Sie nicht nur an einzelnen Stellschrauben. Viele Unternehmen wissen bereits, dass man Betriebsprozesse nur unter Einbeziehung der Entwicklung optimieren kann. Aufgrund der niedrigeren Wertschöpfungstiefen sollte man aber auch die IT-Zulieferer einbeziehen. Sonst geht der Schuss schnell nach hinten los und die Lieferanten können nicht entsprechend liefern. Mit dem TPO Reference Model haben wir übrigens ein integriertes IT-Management-Modell entwickelt, das die Betrachtung der IT als Wertschöpfungskette ermöglicht und die vielen verschiedenen Best-Practices wie z.B. COBIT oder ITIL miteinander sinnvoll verbindet.

Drittens: Transformieren Sie in vielen kleinen Schritten. Zu oft sind „Big Bangs“ in der Vergangenheit ge-scheitert, weil man sich einfach übernommen hat. Gut funktioniert das Gegenteil. Mittels eines individuell zusammengestellten Reifegradmodells transformieren wir IT-Organisationen in vielen kleinen Schritten. Das ist besser als ein großer Schritt und hat zudem den Vorteil, dass wir auf Detailebene die Fortschritte messbar machen und Feedback geben können.

Der vierte Punkt klingt banal, ist dennoch alles andere als einfach zu erfüllen: Setzen Sie die Transformation konsequent um. Ohne aktiven Management Support nützen die vorherigen Ratschläge leider nichts.

Und wenn eine Versicherung das geschafft hat, ist alles bestens?

Nein, im Gegenteil: Die aktuelle Situation und die immer kürzer werdenden Entwicklungs- und Innovationszyklen münden vielmehr in der Forderung, dass Versicher-ungen handeln müssen. Im Kern geht es dabei für den Informatiker um die Frage: Wie kann ich das Geschäft optimieren und mit der IT an der Wertschöpfung aktiv mitwirken. Man sollte die Prinzipien „Performance by IT“ und „Business by IT“ doppelt unterstreichen, denn das Innovationspotenzial einer effizienten und ganzheitlichen IT-Struktur ist kaum zu überschätzen.